Diesen Grundsatz der Comedy darfst du nie vergessen

Leere Bühne

Eine Bühne kann so vieles sein: eine Rampe, von der du deine Punchlines zielsicher ins Publikum schießt oder dein Freiraum, auf dem Du für alle unantastbar in Fahrt kommen kannst – realistisch gesehen ist die Bühne für komische Leute zu Beginn oft genug die kleinste Arena der Welt, in der du ums nackte Überleben kämpfst.

In den Specials, die uns Netflix, HBO und Co. so um die Ohren haut, sieht man die bekannten Comedians in schönen Theatern. Alles ist darauf ausgerichtet, das perfekte Comedy-Erlebnis zu inszenieren. Als Krönung sind alle nur für die eine Person gekommen, die sie an dem Abend unterhalten soll. Perfekt!

Nichts von dem wird Dir passieren, wenn du mit Comedy anfängst – da verraten ich sicher nichts Neues.
Was man aber im Hinterkopf haben muss – nichts von dem ist auch den jetzt erfolgreichen Comedians passiert, als sie starteten. Es ist das Ergebnis jahrelanger, harter Comedy-Arbeit.
Und zwar an ganz anderen Orten.

Wer dich nur ins Ziel kommen sieht, weiß nicht, welchen Weg du hinter dir hast

Eine Bühne zu bespielen, wenn alle nur für dich da sind, ist einfach. Sicher, man muss hier auch liefern, aber es ist nichts im Vergleich dazu, unbekannt in einer fremden Stadt als zehnte(r) im Lineup neue Jokes auszuprobieren.

Das Schöne (für einige auch Erschreckende) ist aber, dass man sich in der Comedy diese Bestätigung immer wieder neu holen muss! Es ist quasi ein Grundsatz der Comedy.

Während das hochpolierte Special auf Netflix und Co. gerade steil geht, stehen die Frauen und Männer, denen da zugejubelt wird sicher schon wieder in den Comedy Clubs und Bars mit ihren neuesten Ideen auf der Bühne – und nicht alle werden funktionieren. Noch nicht.

Ja, Comedy ist Sisyphus-Arbeit – nur, dass wir jedes Mal einen anderen Stein den Berg hinaufrollen.
Aber Junge, wenn der erstmal ganz oben ist…

Aber, bis es soweit ist – Da kannst du auch der erfolgreichste und bekannteste Comedian der Welt sein.

Auch die Besten der Comedy fangen wieder bei Null an

Genau das war Jerry Seinfeld um die Jahrtausendwende (Ja, wir nutzen das Wort bald öfter). Nicht zuletzt durch die Serie „Seinfeld“, die ihn als er selbst immer wieder bei der Arbeit zeigte. Zudem war er seit den späten 70ern permanent als Stand up Comedian unterwegs und hatte einige erfolgreiche Specials veröffentlicht.

Seine meist zeitlosen Gags zu alltäglichen Beobachtungen hätte er sicher bis in alle Ewigkeiten durchnudeln können – das wollte er aber nicht.

1998 veröffentlichte er ein Special mit dem Titel: „I’m Telling You for the Last Time“

Darin brachte er alle erfolgreichen Bits, die nicht nur durch die Serie nun Allgemeingut waren, zum wirklich aller letzten Mal.
Und startete wieder bei Null.

Okay, als erfolgreicher Comedian startet man vielleicht nie ganz bei Null, aber sein ganzes Material zu entsorgen ist schon ein kompletter Neustart.

Dieser Neustart wird in der Dokumentation „Comedian“ von 2002 gezeigt.

Alter Hase vs. verbissener Newcomer

Hier wird Seinfeld begleitet auf seinem Weg durch die Comedy Clubs, um ganz neues Material zu erarbeiten. Die Betonung liegt hier auf „arbeiten“.

Der Film zeigt eindrucksvoll, dass es zwar schön ist, als erfolgreichster Comedian zu gelten, aber auf der Bühne zählt das alles nichts mehr – hier zählt: Du bist witzig oder nicht. Der weitere Grundsatz der Comedy.

Da ist es sehr tröstlich zu sehen, dass auch den besten nichts geschenkt wird. Man sieht keine glattgebügelten Bits, die Wort für Wort ausgearbeitet sind, man sieht, wie Material entsteht. In gewisser Weise wird auch Seinfeld wieder in den Status eines Newcomers „zurückgeworfen“ – mit seinen Gags. zugegeben, ein sehr erfahrener Newcomer.

Immer wenn man der Meinung ist, andere Komikerinnen und Komiker könnten es besser, weil sei schon berühmt sind, sollte man sich „Comedian“ anschauen. Der Film zeigt, wieviel Respekt ein weltberühmter Comedian vor seiner Kunstform hat – was sicher auch ein Grund sein dürfte, warum Jerry Seinfeld überhaupt ein weltberühmter Comedian werden konnte.

Die Doku hat auch noch eine zweite Ebene, bzw. Hauptfigur mit Orny Adams – einem aufstrebenden aber sehr verbissenen Comedian, der quasi dem alten erfahrenen Hasen Seinfeld nebengestellt ist. Beide Entwicklungen und auch die Einstellungen der Stand upper werden abgeglichen. Am Ende wundert es dann nicht, dass man nichts weiter mehr von Orny Adams gehört hat, während Jerry Seinfeld…

Aber, schaut selbst, wie groß da die Unterschiede sind in diesem Ausschnitt…

Fazit

Der ständig notwendige Erneuerungsprozess hilft, nicht die Demut vor der Kunstform zu verlieren. Du wirst schlechte Auftritte mit deinem neuen Material haben, du kannst sogar schlechte Auftritte mit deinem alten Material haben. Erfolgreiche Comedians wie Felix Lobrecht wissen das und testen bzw. erweitern ständig neue Gags auf kleinen Bühnen und entwickeln so neue Programme für ihre Shows. Beachte diesen Grundsatz der Comedy.

Der Dokumentarfilm läuft derzeit noch auf Netlix. Man findet aber sicher noch weitere Clips auf Youtube und wenn ihr sonst die Gelegenheit habt, ihn irgendwo zu sehen, nutzt sie.

„Comedian“
Jahr: 2002
Dauer: 82 Minuten
Jerry Seinfeld, Orny Adams, Chris Rock,
Garry Shandling, Colin Quinn, u.a.

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