Crowdwork – muss das wirklich sein? Nein und Ja!

Es ist vielleicht eine provokante Frage und man kann sie, das gleich vorweg, nicht wirklich beantworten. 

Crowdwork ist eine der vielen Fähigkeiten, die man als Comedian haben kann, aber nicht unbedingt haben muss. Bevor ich gleich auf Vor -und Nachteile und auch auf Tipps für das Crowdwork eingehe, vielleicht nochmal kurz erklärt: 

Was ist denn eigentlich dieses “Crowdwork”?

Hierbei tauscht sich sozusagen ein Comedian mit dem Publikum (english „crowd“) aus.
Meist dadurch, dass der Comedian gezielte Fragen stellt und sich eine oder mehrere Personen aus dem Publikum sucht, die ihm Rede und Antwort stehen. Dadurch ergibt sich im günstigsten Fall ein lustiger Dialog, wobei es natürlich die Aufgabe des Comedians ist, die meist “ernsten” Antworten aus dem Publikum improvisatorisch für Lacher zu nutzen.

Wer sollte Crowdwork machen?

In der Regel kann eigentlich jede und jeder dieses “Gespräch” mit dem Publikum suchen – wenn es denn auch zu deinem Act passt!  Zu einigen Acts bzw. Attitüden passt es nicht. Einen Bill Burr, Anthony Jeselnik oder Jerry Seinfeld interessiert es sicher nicht, was du in Reihe 1 zu einem Thema denkst. Crowdwork von diesen Herren wäre sicher sehr ungewöhnlich und daher unpassend. Es passt nicht zum Typen Selbstsicher, Aufbrausend oder Arrogant.

Bei den gängigen Mixshows, in denen du dich tummelst (von Open Mic bis bezahlter Show) ist es in der Regel der Moderation vorbehalten, das Crowdwork gerade zum Aufwärmen des Publikums zu nutzen.

Die Vorteile:

Gutes Crowdwork schafft einzigartige Momente während einer Show, die sich nie wieder reproduzieren lassen. Selbst, wenn deine Crowdwork-Fragen immer gleich sein sollten, sorgt das wechselnde Publikum für die Würze dieses Austausches.

Durch das “Öffnen” entsteht eine Intimität und das lässt die Menschen auch gedanklich enger zusammenrücken. Man teilt sich jetzt Wissen über eine oder mehrere Personen.

Dieses “Zusammengehörigkeitsgefühl” lässt die Leute befreiter Lachen.

Die Infos können nun auch von den Comedians im Line up genutzt werden. Wenn es sich thematisch anbietet, kann man den Faden nochmal aufnehmen und Gags noch gezielter oder feiner platzieren.  

Manchmal reicht es einfach auch nur nochmal den Namen einer Crowdwork-Person reinzuwerfen – wenn es passt, folgt ein Lacher.

Eine Moderation mit guten Crowdwork setzt also kleine Marker, die deinen Act verstärken oder dir auch helfen können, wenn es nicht so gut läuft. 
Dann kann es helfen, wenn du nochmal ein Thema aufgreifst, über das alle im Raum bereits schon mal gelacht haben.

Mir ist es schon öfter passiert, dass Gags aus dem Gespräch heraus viel größere Lacher hatten als lange und hart erarbeitete Punchlines – es ist so ein Zauber des Moments.

Daher auch nochmal mein Tipp bei Mix-Shows: Sieh dir immer mindestens die Warm up-Moderation an, um solche Marker nicht zu verpassen! Sie dir am besten sowieso immer die GANZE Show selber an, wenn dort Leute im Line Up sind, die du nicht kennst.

Und damit kommen wir auch zu den “Schattenseiten” der Plauderei mit dem Publikum…

Wann Crowdwork nicht passt:

Es passt dann nicht, wenn du der dritte oder vierte im Line up bist, der es anbringt.

Selbst, wenn du andere Fragen stellen solltest (du hast dir ja die ganze Show bis dato angesehen, gell?!), die Leute haben irgendwann keinen Bock mehr, Fragen zu beantworten.

Wenn die Moderation auch bereits daran gescheitert ist und nach der größtmöglichen Anstrengung keine Stimmung für Crowdwork aufkommt, lass es besser sein. Sie haben signalisiert “Wir wollen nicht” – respektiere das.

Solltest du spät im Line up dran sein, womöglich an letzter Position, und du hast wieder mal nur im Backstage abgehangen, ist von Crowdwork dringend abzuraten. Es müsste schon ein sehr eigenes Thema sein, zu dass du die Leute befragst aber selbst dann läufst du Gefahr, wie oben beschrieben, der x-te Fragesteller zu sein. Wer bei der Show nicht aufpasst, sollte sich vor Fragen hüten!

Vorsicht bei einem redseligen Publikum!
Manchmal hat man Leute vor sich sitzen, die das Prinzip Comedy-Show nicht kennen und drauflos plappern, wenn eine Frage gestellt wird. Wenn du noch keine Erfahrung hast, diese  Situation zu meistern, kann das die Stimmung töten. 

Überrasche niemanden mit Crowdwork – vor allem nicht die
Booker/Veranstalter von Shows.

Solltest du nicht als Impro/Crowdwork-Comedian bekannt und beliebt bist, dann wurdest du wegen deines Materials oder deiner Themen gebucht. Wenn du plötzlich davon abweichst und mit dem Publikum redest, dann ist das nicht geplant. Man hat sich sicher im Vorfeld Gedanken gemacht, warum DU in die Show passt.
Wenn du für Geld gebucht bist, dann wegen deines Materials.
Der Crowdwork-Anteil sollte daher minimal ausfallen.

Bevor ich gleich erkläre, warum ich Newcomern (zunächst) vom Crowdwork abrate, kommen paradoxerweise erstmal ein paar Tipps, falls du es doch nicht lassen kannst – muss ja keiner hier auf mich hören. 🙂

Der Check up

Ehe du wild einzelne Personen aus dem Nichts mit Fragen bombardierst, (und die womöglich in eine stumme Starre verfallen) kannst du mit allgemeinen Fragen, die per Applaus beantwortet werden, schon mal sehen, wie das ankommt. Applaus ist natürlich viel aussagekräftiger als “Aufzeigen”

Wenn dann einzelne Personen besonders reagieren, kannst du darauf eingehen und hast die Brücke, sie direkt anzusprechen. Je offener man auf deine Eingangsfragen reagiert, desto besser. So kannst du die offenen Laute rauspicken.

Deine Fragen sollten aber schon auch schon so geartet sein, dass sie eine Reaktion auslösen. Womit wir beim nächsten Punkt sind:

Stelle originelle Fragen

Natürlich: um ein paar der Basic-Fragen wird man nicht immer rumkommen. Name, wo manche Leute herkommen, was sie beruflich machen oder anderes. 

Daraus ergeben sich aber oftmals keine Vorlagen für witzige Ideen. Oder sie wurden schon zu oft gemacht. Der Klassiker “Wie lange seid ihr schon zusammen? Er hat zu lange überlegt” und ähnliches ist zu genüge gemacht worden. Auch die überstrapazierte Floskel-Frage „Habt ihr Bock?“ solltest du durch was pfiffigeres ersetzen. Nein, nicht mit „Seid ihr gut drauf?“

Denk daran, du brauchst Munition für Improvisierte Gags. Nach Möglichkeit sollte jede Antwort und jeder deiner Gags dazu lustiger werden. Und, wenn du es gut anstellst, kann das Crowdwork auch zu einem Bit überleiten. 

ALLE müssen deinen Gesprächen folgen können!

Nicht selten sehe ich Comedians, die sich mit jemandem in der ersten Reihe unterhalten, und dann nicht wiederholen, was die Person OHNE Mikro gesagt hat. Du musst davon ausgehen, dass es nicht alle mitbekommen und somit auch deinen Gag die Reaktion auf die Antwort nicht verstehen. Das bringt unnötige Unruhe und die Leute hinten schalten ab.

Sicher kannst du es dir auch einfacher machen und mit dem Mikro zu ihnen gehen. So verlagerst du das Gespräch ins Publikum, die Leute folgen dir auch mit den Augen und du hast das akustische Problem gelöst, indem du sie ins Mikro, wie beim Sport-Interview, sprechen lässt.

Du solltest dir aber schon sicher sein, dass dieser Weg sich auch lohnt. Nach einer Frage, die ins Leere läuft, wieder auf die Bühne hoch zu müssen, kommt nicht so unterhaltend rüber.

Und: unter keinen Umständen, also niemals, egal was passiert, gibst du das Mikro aus der Hand!

Manche versuchen vielleicht danach zu greifen, um dann loszulegen. Die Kontrolle über das Mikro darfst du nie verlieren. Für den Lacher würde ich es auch genau so ehrlich ansprechen, falls du mal an einen Mikro-Grapscher geraten solltest.

Zum Schluss: Newcomer und Crowdwork

Grundsätzlich können natürlich auch Newcomer mit dem Publikum reden – wie sollten man es auch sonst lernen? Allerdings empfehle ich, erstmal genug Material für ein gutes Set von mindestens 10 Minuten zu erarbeiten. Als Comedian sollte man auch immer ohne Plapperei auskommen und funktionieren können. 

Ansonsten kann es sehr dünn werden, wenn Crowdwork bei den Leuten mal nicht angesagt sein sollte.

Andersherum gibt es aber bei Neulingen auch immer die Situation, dass sie sich mit Crowdwork “retten” wollen, wenn die Gags nicht so zünden. Das kann natürlich einen Auftritt umbiegen, wenn die Leute lieber Bock auf Quatschen haben.

Es hilft dir bei deinem Material aber nicht weiter. Man muss das Material auch dann mal “aushalten” können und sehen, ob man es nicht doch im Laufe des Auftritts noch optimieren kann. Nur so ist man besser gerüstet.

FAZIT:

Crowdwork kann ein sehr tolles Instrument sein, um eine gute Verbindung zum Publikum aufzunehmen und die alle zusammenzuführen als eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft, die jetzt Geheimnisse teilt. Ein sehr guter Vibe für befreites Lachen. Ein längeres Set mit ein paar Fragen ans Publikum (nicht die langweiligen, siehe oben) und dann bei einer guten Gelegenheit in sein Material gleiten. Das ist die Kunst.

Es gibt aber gute Gründe, es nicht damit zu übertreiben oder es ganz zu lassen – das Gespür dafür muss man sich tatsächlich selbst erarbeiten. Mal klappt es gar nicht, weil die Leute zu machen, mal spricht man die falsche Person an. Man muss all das eigentlich alles selbst erfahren, um damit mit seiner eigenen Comedy umzugehen. Ich kann und möchte hier nur Tipps und Anregung für den Rahmen geben.

Damit es klappt, müssen deine Antennen auf der Bühne offen sein, deine sprachlichen Reflexe geschult und du musst so sicher in deinem Material sein, dass du möglichst nahtlos vom Crowdwork wieder hineinfindest.

Wie immer kommt das durch Übung. Aber, mein Haupt-Tipp bleibt: Material geht immer vor Crowdwork! Und zur Not muss es auch ohne gehen und funktionieren. Aber, wenn du mit guten Bits und Gags auch noch Gags aus dem Publikum ziehst, dann kann das die Sahne auf dem Pudding sein.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert