Denk daran: Der größte Witz bist DU!

Wie man aus Scham oder Eitelkeit an Witz verliert.

Das wesentliche Merkmal, das Stand up Comedy von anderen Comedy-Gattungen unterscheidet ist: sie ist in erster Linie sehr persönlich.

Ein(e) Stand up Comedian erzählt von sich, den eigenen Erlebnissen, Beobachtungen, Schwächen und Meinungen.

Lange Jahre haben sich gerade deutsche Bühnen-Humoristen dem verweigert, indem sie eine Rolle samt Verkleidung übernahmen oder eine imaginäre Figur außerhalb nutzten, die vorgeführt wurde (Nachbar, Arbeitskollege, Lebenspartnerin, etc.)
Dieser Umweg über Andere bietet vielleicht etwas mehr Möglichkeiten, bedeutet aber auch immer mehr Erklärung und erscheint heute auch etwas feige – mir zumindest.

Auch ich hatte in der allerersten Zeit den einen oder anderen Gag, den ich lieber auf andere Personen projizierte. Egal, ob ich ihn mir komplett ausgedacht hatte oder einfach eine wahre Begebenheit für einen Gag aufblähte und übertrieb.

Es war mir peinlich, dass die Leute denken könnten, ich wäre tatsächlich so blöd und das Ganze ist mir wirklich passiert. Also sprang in der Story hier und da „ein Freund“ ein.

Ich merkte schnell: das war ein Fehler.

Vermeide die feigen „Stellvertreter-Gags“

Die Gags funktionierten zwar irgendwie schon, aber nie so gut, wie ich dachte. Nach ein paar halbgaren Versuchen dämmerte mir auch, wieso.

Ich verstand: je näher die Story an mir dran ist, umso lustiger kann sie werden. Die Leute sehen und hören ja mich auf der Bühne und ich fange plötzlich an von einer imaginären Person zu erzählen, die sie sich ja auch vorstellen müssen. Das nimmt natürlich einiges von der Wirkung weg.

Wir kennen doch die Situation, wo uns jemand eine „unglaubliche“ Story von einem „Bekannten“ erzählt, wobei uns schnell klar ist, hier ist nur jedes dritte Wort wahr beziehungsweise richtig überliefert.

Es muss Dir passieren – je näher an dir dran, desto besser.

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Warum dir (fast) nichts auf der Bühne peinlich sein muss

Der Impuls zu glauben, du machst dich vor den Leuten klein, dumm und weniger wert, mag anfangs schon hemmen. Jeder Gag hat ja immer auch diesen wahren Kern und das Öffnen vor Fremden ist kein leichter Schritt – selbst wenn man viel durch Gags verschleiert.

Aber, ein Publikum kann in der Regel schon recht gut einschätzen, welcher Teil wahrscheinlich der wahre Teil ist (nämlich meist die Prämisse, die Meinung) und was dann eher für den Effekt hinzugefügt wurde.

Natürlich nehmen dir die Leute nicht 1:1 alles ab, was du ihnen erzählst – schließlich besuchen sie eine Comedy Show.
Und du darfst dabei auch nicht den Wiedererkennungswert unterschätzen. Vielen ist sowas oder ähnliches passiert oder sie teilen deine Meinung als Prämisse.
Die Erkenntnis, dass die Person da auf der Bühne genauso bekloppt ist wie man selber gibt dir einen viel besseren Draht als alle erfundenen Figuren.

Wer intelligent genug ist, Comedy zu verstehen und genießen, wird nie denken, dass Comedians dumm sind und unter ihnen stehen.
Die Leute verstehen schon recht gut, dass man als Comedian immer bestimmt, worüber gelacht wird.

Take one for the Gag

Wenn du erstmal die Scheu vor der Peinlichkeit abgelegt hast, hast du auch sehr schnell „den Dreh“ raus: nämlich den Kniff, Peinlichkeiten von anderen auf dich zu drehen.

Einige KollegInnen und auch ich haben mittlerweile diese Stories, die eigentlich anderen passierten. Aber, sobald wir davon hörten (oder sie passiv erlebten) war uns klar, wie wir sie lustig auf uns beziehen können.

Wichtig dabei: Die Stories und Gags müssen natürlich glaubwürdig sein und zu dir passen.
Man muss dir die Prämisse, den Aufbau, das Thema schon abnehmen.

Wenn das gewährleistet ist, gibt es eigentlich fast keine Grenzen mehr.

Fazit

Je näher das Material an dir als Person dran ist, umso besser. Das gilt für Prämissen, Meinung und auch Punchlines – egal ob sie dich schlecht aussehen lässt, oder andere.

Natürlich wirst du immer auch Punchlines haben, für die du andere Personen brauchst – gerade wenn du wahre Begebenheiten nacherzählst, bei denen du involviert bist.

Habe aber keine Angst, bei Bedarf und für die Wirkung auch eine Story zu „drehen“, um sie witziger zu machen weil sie dir passiert. Das Publikum isst nichts so heiß, wie es gekocht wird und hat immer Sympathien für Ehrlichkeit und kleine Macken. Und genau das ist oft die Essenz guter Stand up Comedy.

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