Wer mit der Comedy startet, kann auf der Bühne ziemlich schnell überfordert sein.
Du willst deine Punchlines nicht vergessen, die Setups richtig anbringen, die Reihenfolge einhalten, keinen Gag auslassen und musst auch mit den (manchmal ausbleibenden) Reaktionen des Publikums klarkommen.
Dazu musst du dich mit dem Raum und dem Sprechen in ein Mikro zurechtfinden.
Bedeutet, du bist erstmal ziemlich viel mit dir selbst beschäftigt und gehst dein Programm ab.
Genau das solltest du auch, denn nur die Arbeit mit deinem Material, das Aussprechen und Wiederholen schleift dein Material und macht dich sicherer.
Viele (auch gute) Newcomer-Gags zünden aber aus einem bestimmten Grund nicht so, wie sie könnten. Und das ist natürlich fehlendes Selbstvertrauen. Oder sagen wir besser: Selbstsicherheit.
Die Leute vor dir müssen dir abnehmen, was du da erzählst und das schaffst du, indem du es mit Bestimmtheit vorträgst, ohne einen Zweifel aufkommen zu lassen.
Vielen Newcomern spürt man ihren Respekt vor dem Publikum an und den solltest du natürlich auch immer haben. Aber, du musst Chef und Chefin im Ring sein. Du machst hier die Ansagen und alle müssen dir folgen.
Daher musst du schon entsprechend laut und deutlich auf der Bühne sein.
Findest du jetzt vielleicht selbstverständlich, aber das Publikum merkst, wenn du selber nicht sicher bist, was du da gerade erzählst.
Mit Selbstsicherheit vorgetragen, werden sie dir aber besser folgen – und wahrscheinlich auch besser reagieren.
Ich nenne das den “Wartezimmer-Effekt”. Warum?
Es gibt zwei Arten von „Guten Morgen!“
Vielleicht ist dir so eine Situation auch schon passiert oder aufgefallen:
Du sitzt in einem vollbesetzten Wartezimmer, jemand kommt zur Tür herein und nuschelt ein leises
“Guten Morgen”.
Wer antwortet? Im schlimmsten Fall niemand, im Normalfall vielleicht die zwei Patienten, die am nächsten an der Tür sitzen – obwohl das “Guten Morgen” alle irgendwie gehört (oder erahnt) haben!
5 Minuten später betritt jemand das Wartezimmer und sagt mit fester Stimme ein unüberhörbares
“Guten Morgen” in den Raum. Wer antwortet ihm? Die meisten, wenn nicht alle Personen.
Die Leute sind fest und bestimmt “angesprochen” worden und sehen sich genötigt zu reagieren.
Also, tun sie es!
Ich gehe jedenfalls immer mit einem festen “Guten Morgen” in ein Wartezimmer und wurde bis jetzt noch nie enttäuscht. 🙂
Der Effekt sollte klar sein: Wenn du etwas Selbstsicher vorträgst, dann nimmst du die Leute mit und gibst ihnen hinterher fast keine andere Möglichkeit als darauf zu reagieren.
So kannst du die Wirkung seiner Gags und deiner Person auf der Bühne verstärken.
Viele High Energy-Comedians treiben ihr Publikum richtig an und peitschen es so auf – als Reaktion auf das Treiben auf der Bühne. Da fällt dann auch ein etwas schwächerer Gag dazwischen nicht so auf.
Der Effekt klappt allerdings auch bei introvertierten Typen. Du sollst ja nicht unbedingt laut werden, du musst nur an den richtigen Stellen, und zwar mit deiner Punchline, fest und bestimmt sein.
Auch ruhigere und unsicher wirkende Comedians müssen ja das Heft in der Hand behalten, um ihre Wirkung zu erzielen.
Stelle es dir vielleicht wie bei Pfeil und Bogen vor – die Punchline muss irgendwann abgeschossen werden, und zwar gerade und kontrolliert.
FAZIT
Ein guter Gag wird immer seine Wirkung erzielen. Wenn der aber ängstlich und ohne Spannung gebracht wird, geht viel davon verloren.
Achte mal bei der Analyse deiner Auftritte und Gags (Ton und/oder Video) darauf, ob du irgendwann die Spannung (oder den Mut!) verlierst, einen Gag nicht druckvoll genug bringst und so die Wirkung abgeschwächt wird. Prüfe auch deine Setups daraufhin! Nicht, dass du die Leute da schon verlierst.
Menschen, die direkt und selbstsicher angesprochen werden, reagieren anders und sind aufmerksamer.
Und du wirst jetzt nie wieder ein Wartezimmer betreten können, ohne an diesen Artikel zu denken. 🙂