Natürlich musst du auf der Bühne das Heft stets in der Hand behalten. Du solltest entscheiden, worüber die Leute lachen, musst das Tempo mal anziehen und dann wieder etwas locker lassen, aber nur für den Anlauf zum nächsten Lacher.
Aber: Es gibt diese Momente, wo du die Leine zum Publikum einfach für einen Moment loslassen kannst, ja sogar musst. Denn das Publikum bleibt dein Auftraggeber und der einzige Auftrag ist: Bring uns zum Lachen!
Am Ende ist ein gutes Stand up-Set auch immer eine Art „Unterhaltung“ mit dem Publikum – selbst wenn du niemanden ansprichst. Gag-Lacher-Gag-Lacher-Tagline-größerer Lacher, etc. – es geht immer hin und her.
Wenn das Publikum aber entscheidet, dass eine Situation (Versprecher, Missgeschick, Antwort aus dem Publikum) jetzt das absolut witzigste ist, was passieren konnte und sie alle darüber lachen, dann wäre es fahrlässig, diesen ungeplanten Schubs nicht voll mitzunehmen. Oft braucht es dazu noch nicht mal einen Gag von dir, sondern mehr eine Art “Moderation”. Indem du erklärst, was da gerade passiert oder passiert ist, hältst du den Lacher am Leben, kannst noch einen draufsetzen und so wieder die Kontrolle übernehmen.
Das beste für die Show ist gerade gut genug
Du musst in diesen Situationen entscheiden, was das beste für deinen Auftritt und damit die Show ist – egal ob Mix-Show oder auch ein eigenes Solo.
Manchmal bleibt dir auch gar nichts anderes üblich, als aus deinem Set kurz rauszugehen und eine Anomalie zu adressieren. Auch hier lässt du das Publikum übernehmen, versuche es aber zu moderieren.
Der Klassiker: die ungewöhnliche Lache. Wir alle kennen diese Menschen, die andere mühelos zum Lachen bringen, weil sie lachen. Oft sind es Frauen, die mit einer sehr auffälligen Lache aus der Menge herausstechen und das wird natürlich vom Rest des Publikums irgendwann registriert.
Wenn die Leute jetzt schon bei jedem Lacher über die Lache weiterlachen, kannst du nicht so tun als würdest du das nicht mitbekommen.
Alle haben sich darauf geeinigt, dass da noch etwas ebenso lustig ist wie deine Gags!
Damit kann man immer irgendwas machen. Es reicht dabei eigentlich schon, es anzusprechen, damit man merkt, auch DU hast es registriert.
“Ernsthaft, das ist deine wirkliche Lache? Wow!”
Ein Vergleich könnte sich auch anbieten. Wie hört sich die Lache an? Im Vergleich zu anderen Lachen. Wie etwas aus der Tierwelt, erinnert es an ein bekanntes Geräusch aus unserem Alltag – irgendwie so etwas. Natürlich darf der Vergleich nicht beleidigend sein.
Kurz und schmerzlos, aber lustig
Ziehe diese Episoden nicht zu lang. Wenn du richtig drauf einsteigst haben sie zwar viel Saft aber das nur für kurze Zeit. Sobald du wieder volle Kontrolle hast, geht es weiter in deinem Text.
Natürlich kannst du im Laufe eines längeren Auftritts wieder zurückspringen, wenn es sich gerade anbietet und den kleinen Zwischenfall für einen willkommenen Callback nutzen.
Wichtig ist, dass du ein Gespür für diese Situationen bekommst und sie mitnimmst.
Wenn du hier stumpf dein Material durchprügelst, tust du dir keinen Gefallen.
Die Konzentration ist bei den Leuten gerade woanders und du müsstest sie mühsam dort wegzerren. Das mag keiner so richtig.
Es ist also wichtig, auch das Ohr und Auge am Publikum zu haben. Ist nicht so einfach, gerade zu Anfang, das weiß ich selber nur zu gut. Einige Kolleginnen und Kollegen sind so gut darin, dass sie jedes kleine Flüstern als Reaktion auf ihre Gags aufnehmen und gnadenlos mit einbauen, wenn es passt. So etwas kommt mit der Zeit von alleine, wenn man möchte. Fürs erste reicht es, wenn du die nicht zu überhörenden oder nicht zu übersehenden “Störungen” mit einbaust.
Gerade am Anfang spielt man viele Shows auch an eher ungewöhnlichen Orten und es können ungeplante Dinge passieren. Sei bereit dafür, diese Situationen mit den Leuten zu teilen und blitzschnell darauf zu reagieren.
So hält man auch die Performance und das Material frisch und nach solchen Erfahrungen ist man gerüstet für eigentlich jede Situation auf der Bühne.
Fazit
Nutze die Energie des Publikums, wenn es sich anbietet. Lasse sie sich etwas austoben, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Das kann deiner Show unheimlich helfen, neue Impulse geben und schafft darüber hinaus ganz spezielle Momente. Natürlich braucht das „Aussteigen“ aus deinem Set und abschweifen etwas Übung. Du musst sicher genug sein, jederzeit den Ball wieder aufnehmen zu können und merken, wann die unerwartete Situation vorbei ist. Das lernt man aber nur, wenn man es probiert.